Danksagung Blog und Twitter Dokumentarfilm „Germanomics“

Der internationale Wettbewerb fördert Innovationen zutage und macht Unternehmen produktiver - aber nur solange er fair ist. Diese grundlegende Bedingung scheint jedoch heute nicht immer erfüllt zu sein – durch die Dominanz US-amerikanischer Plattformunternehmen, durch chinesischen Staatsinterventionismus und nicht zuletzt auch durch die Corona-Krise. Noch ist es in Deutschland und Europa nicht so weit, dass einige wenige Unternehmen das Geschehen beherrschen. Auf den globalen Märkten jedoch dominieren immer mehr einzelne starke Player besonders im Digitalbereich. Die EU-Länder müssen deshalb den Spagat zwischen Förderung und Schutz der heimischen Wirtschaft einerseits und zu viel selektivem Interventionismus anderseits schaffen. Das wirft die Frage auf, wie faire Wettbewerbsregeln für die Zukunft aussehen. Ein gerechter Rahmen muss verhindern, dass die stärksten Player ganze Märkte dominieren, die Preise setzen und den Innovations- und Gründungsprozess abwürgen. Gleichzeitig müssen hiesige Unternehmen global konkurrenzfähig bleiben.

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Herausforderungen

Die Corona-Pandemie hat schonungslos offengelegt, dass viele, gerade kleine und mittlere, Unternehmen, die bisher wenig digitalisiert hatten, in existenzbedrohende Schieflagen gerieten. Wie bereits in der Finanzkrise gilt: Wer digitalisiert, ist krisenfester. Und so gab es jene, die auch in der Corona-Krise ihre Marktmacht weiter ausbauen konnten, wie etwa die Tech-Riesen Google, Microsoft oder Amazon. Sie können jetzt erst recht zeigen, wie stark ihr konsequent digitalisiertes Geschäftsmodell ist. Dass im Angesicht der Pandemie plötzlich alle auf digitale Lösungen setzen, festigt ihre Machtposition nur noch mehr.

Die großen Plattform-Unternehmen sitzen in einer Schlüsselposition. Sie können den Zugang zu Millionen von Nutzer:innen kontrollieren. Damit haben sie eine Macht angesammelt, durch die sie selbst die Regeln des Wettbewerbs bestimmen. Sie haben es in der Hand, wer im Internet erfolgreich ist und wer nicht. Wer nicht auf Google oder auf Amazon gefunden wird, hat kaum eine Chance.

Die Plattformen verfügen über den wichtigsten Rohstoff der digitalen Märkte: Daten. Die großen Mengen erlauben es ihnen, ihre Algorithmen zu trainieren und die Angebote immer zielgenauer an die Präferenzen einer globalen Kundschaft anzupassen. Dadurch können sie ihre Ökosysteme immer weiter ausbauen und etablierte Geschäftsmodelle angreifen, von der Kommunikation, über Autos bis hin zur Finanzwirtschaft.

Die Gatekeeper-Funktion der Tech-Unternehmen ist den Wettbewerbsbehörden schon lange ein Dorn im Auge. Das Wettbewerbsrecht ist zwar in der Lage, gegen schädliches Verhalten vorzugehen. Allerdings hinken die Verfahren häufig der Dynamik der Märkte hinterher. Sind potenzielle Konkurrenten erst einmal aus dem Markt gedrängt und dieser endgültig verschlossen, ändert eine Kartellstrafe einige Jahre später nichts mehr daran.

Freier Wettbewerb wird heute jedoch nicht allein durch die globalen Plattformunternehmen gefährdet. Ob wir es wollen oder nicht, Deutschland und Europa stecken in einem Kampf der Wirtschaftssysteme. Die Volksrepublik China hat in den vergangenen Jahrzehnten einen rasanten Wandel hingelegt. Die einstige verlängerte Werkbank der westlichen Industrienationen ist in vielen Märkten zum Technologieführer geworden. Die chinesische Führung verfolgt dabei konsequent ihre industriepolitischen Vorstellungen – auch wenn das bedeutet, dass sie gezielt ins Wirtschaftsgeschehen eingreift.

Die Subventionen der chinesischen Regierung und andere Vergünstigungen für heimische Unternehmen verzerren den internationalen Wettbewerb. Europa sucht noch nach einem Weg, um Nachteile für europäische Unternehmen zu vermeiden und ein Level-Playing-Field mit den chinesischen Wettbewerbern zu schaffen.

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Daten und Fakten

Schon lange ist klar: freier Wettbewerb ist die Grundlage für niedrige Verbraucherpreise und Innovationen. Immer deutlicher wird durch neuere Forschung aber auch, dass es einen starken Zusammenhang zwischen einem offenen Wettbewerb und dem Arbeitseinkommen in einer Volkswirtschaft gibt. Oder anders ausgedrückt: Je stärker die Marktkonzentration wächst, also Wettbewerb abnimmt, desto stärker sinkt auch die Lohnquote.

Für die USA haben dies der MIT-Ökonom David Autor und seine Koautor:innen gezeigt. In der ersten unserer Studien weisen wir den gleichen Effekt für Deutschland nach: Auch hier sind einzelne sogenannte Superstar-Firmen hochgradig produktiv und innovativ. Dadurch erobern sie immer größere Marktanteile. Im Vergleich zu ihren Wettbewerbern arbeiten sie mit hohem Einsatz von Kapital, aber mit kleiner Belegschaft und entsprechend niedrigen Arbeitskosten. Wenn sich die Wertschöpfung nun immer mehr hin zu den Superstars verschiebt, sinkt die Lohnquote vor allem in ihren Branchen, aber auch in der gesamten Wirtschaft. Jüngsten Forschungsergebnissen zufolge gibt es solche Superstar-Tendenzen zunehmend auch im verarbeitenden Gewerbe Europas und weitere aktuelle Studien zeigen, dass auch die Verbraucher:innen unter dieser Entwicklung zu leiden haben, da diese Unternehmen höhere Preise durchdrücken können.

Auf der anderen Seite wächst gerade in Märkten mit hoher Konzentration die Produktivität stärker als anderswo. Dass die Marktkonzentration zunimmt, ist also nicht per se als schlecht zu bewerten. Einzelne Forscher:innen sprechen gar von einer „guten Konzentration“ in dem Sinne, dass sich die produktivsten und innovativsten Unternehmen im Wettbewerb durchsetzen. Dagegen wäre von wettbewerbspolitischer Seite eigentlich nichts einzuwenden.

Doch diese Einschätzung greift möglicherweise zu kurz. Denn Wettbewerb ist ein dynamischer Prozess. Unternehmen suchen nach besseren Lösungen, um sich von ihren Wettbewerbern abzusetzen. Diese reagieren und wollen ihrerseits die Konkurrenz übertrumpfen. So entstehen Marktdynamik und technischer Fortschritt. Wenn aber ein übermächtiger Player gar nicht mehr einzuholen ist oder die Wettbewerber ganz aus dem Markt drängt, ist es mit dieser Dynamik vorbei. Das zeigt eine Untersuchung über Marktkonzentration in der Corona-Krise, die das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) für uns durchgeführt hat.

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Politischer Handlungsbedarf

Wettbewerb ist Treiber für neue Ideen und Fortschritt. Deshalb ist er gerade in den digitalen Märkten unverzichtbar. Die EU-Kommission hat das erkannt. Im Dezember 2020 hat sie das Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act) vorgelegt. Dieses Gesetzt soll die Marktmacht der Digitalkonzerne eingrenzen. Wesentliches Ziel: Die großen Plattformen sollen nicht mehr darüber wachen, wer Zugang zu Daten erhält und wer nicht. Die EU will die Spielregeln im Internet selbst bestimmen.

Das neue EU-Digitalgesetz soll Konkurrenten ermöglichen, selbst auf die Daten zuzugreifen, die sie auf den Plattformen generieren. Das soll ihnen ermöglichen, ihre Angebote zielgerichteter an den Wünschen der Kundschaft auszurichten.

Auch die Wettbewerbspolitik in Deutschland ist auf einem guten Weg. Mit der zehnten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen wird das Bundeskartellamt gezielter und schneller gegen Digitalunternehmen vorgehen können, wenn sie Wettbewerb einschränken. Aber auch im Lowtech-Bereich sollte im Sinne eines fairen Wettbewerbs und starker Unternehmensdynamik weiter daran gearbeitet werden, Marktzutrittsbarrieren abzubauen und den Technologietransfer zu beschleunigen (siehe auch Handlungsfeld “Kreative Zerstörung”).

Was noch aussteht: Ein internationales “level playing field” und bessere Regeln im Umgang mit hochsubventionierten Unternehmen insbesondere aus China oder anderen Drittstaaten. Das Investitionsabkommen der EU mit China vom Dezember 2020 sollte für fairere Wettbewerbsregeln sorgen. Die Vertragspartner wollten vor allem den gegenseitigen Marktzugang erleichtern und Investitionsschutz sicherstellen. Doch wurden im Vertragstext keinesfalls alle europäischen Erwartungen erfüllt, noch ist bisher überhaupt eine Ratifizierung erfolgt. Die EU sollte deshalb generell weiter darauf drängen, fairen Marktzugang zu erhalten und erzwungenen Technologietransfer zu verhindern. Ihrerseits sollte die EU ihre Beihilferegeln auch auf Unternehmen aus Drittstaaten wie China anwenden, um europäischen Unternehmen mehr Chancengleichheit zu schaffen.

Zum Weiterlesen

[1] Monopolkommission, Hauptgutachten: Wettbewerb 2020.
[2] Benček, D., L. Ceni-Hulek, A. Wambach, J. P. Weche, Wettbewerb in Zeiten der Pandemie, Wirtschaftsdienst, 11, 2020.
[3] Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 (2019), Abschlussbericht, Ein neuer Wettbewerbsrahmen für die Digitalwirtschaft,  https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2019/20190909-expertenkommission-wettbewerbsrecht-40-uebergibt-abschlussbericht-an-minister-altmaier.html (29. Mai 2020).