
#01
Zahl der Female Founders verdoppeln
Frauen gründen mutig und engagiert, oft mit Fokus auf Menschen und Umwelt – eher allein statt im Team. Im klassischen Startup-Sektor sind sie unterrepräsentiert, etwa wegen fehlender Vorbilder oder erschwerter Finanzierung. 2024 ist die Zahl der Startup-Gründungen durch Frauen ist erstmalig seit fünf Jahren wieder gesunken und liegt knapp unter 20 Prozent. Gemessen an der Gesamtbevölkerung (50,5 % weiblich) und dem Anteil von Akademikerinnen (rund 52 % Hochschulabsolventinnen laut Statistischem Bundesamt) verschenkt Deutschland enormes Gründungspotenzial.
Zu wenig Gründerinnen in der Spitzengruppe
Frauen gründen eher in Branchen, die Gemeinwohl und Umwelt zugutekommen und seltener im High-Tech und stark wachstumsorientierten Bereichen. Dies liegt vor allem an strukturellen Benachteiligungen, die wir auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse aufzeigen. Jedoch gibt es Wege, das Gründungsökosystem für Frauen zugänglicher zu machen. Wir streben eine Verdopplung der Gründungen durch Frauen an.
Warum Frauen seltener Startups gründen – Zahlen, Potenziale, Herausforderungen
Gute Nachrichten zuerst: Laut dem Deutschen Social Entrepreneurship Monitor (DSEM) werden rund 80,9 Prozent der Sozialunternehmen von Frauen mindestens mitgegründet, in Geschäftsführungen sind sie mit 62 Prozent, unter den Beschäftigten mit 65 Prozent stark vertreten. Unternehmen, die in diesem Sektor entstehen, sind bisweilen kleiner und öfter in Branchen aktiv, die eher weiblich gelesen werden, wie z. B. im Bildungs- oder Gesundheitsbereich. Hier ist ein Ökosystem entstanden, in dem größere Parität besteht, und diese setzt sich fort. Auch der Gründungsreport der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) weist für das Jahr 2023 ein Rekordhoch von 43 Prozent weiblichen Selbstständigen aus. In den Bereichen EdTech und Green Startups werden 36 Prozent beziehungsweise 24 Prozent von Frauen gegründet. Hingegen waren im Jahr 2024 laut Female Founders Monitor nur 18,8 Prozent aller Startup-Gründungen weiblich.
Dass mangelnde Geschlechterdiversität ein Problem für den Startup-Sektor sein kann, ist dort noch nicht ausreichend durchgedrungen. Laut Monitor zeigt sich, dass der Gendergap kaum als Problem wahrgenommen wird. Nur 8 Prozent der Gründer halten das für sehr problematisch, gegenüber 43 Prozent der Gründerinnen. Gründen in gemischten Teams scheint mangelndem Problembewusstsein entgegenzuwirken, denn hier sehen doppelt so viele Männer den Gendergap sehr kritisch.
Problembewusstsein für geringere Gründungsaktivität von Frauen

Weibliche Vorbilder sind weniger sichtbar
Frauen sind im unternehmerischen Kontext noch immer stark unterrepräsentiert – vom Gründer:innenbild in Schulbüchern bis hin zu Entscheidungsträger:innen in Wagniskapitalfirmen.
Eine Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung zeigt: Unternehmerinnen oder Managerinnen tauchen in Schulbüchern kaum auf. Stattdessen dominieren traditionelle Rollenbilder – Frauen als Pflegerinnen, Friseurinnen oder Verkäuferinnen. Unternehmerisches Handeln wird selten als weiblich dargestellt, was das Gründungspotenzial bei Mädchen ausbremst.
Diese einseitige Darstellung hat langfristige Folgen: Sie trägt dazu bei, dass sich Gender Bias in Technologie, Bildung und digitalen Produkten weiter verfestigt. Besonders in den MINT-Fächern – entscheidend für Tech- und Startup-Karrieren – werden Mädchen noch immer benachteiligt. Der UNESCO-Bericht “Technology in Education: a Tool on Whose Terms?” betont: Der Mangel an digitalen Kompetenzen sowie Repräsentation wirkt sich direkt auf die geringe Zahl weiblicher Gründerinnen im Tech-Bereich aus.
So ist es nicht verwunderlich, dass sich der Gründungswunsch bei Frauen meist erst nach dem ersten Berufseinstieg entwickelt (57 %) und nicht bereits in der Jugend oder während des Studiums. Das liegt aber nicht nur an der Wahl der Studienfächer, sondern auch an kulturell-gesellschaftlich geprägten Faktoren wie Wunsch nach Sicherheit des Arbeitsplatzes und geringerer Risikobereitschaft, gerade mit Blick auf Vereinbarkeit.
Entstehung Gründungswunsch

Auch an sichtbaren Vorbildern im Gründungsökosystem fehlt es. Nur 14 Prozent der Business Angels sind weiblich. Doch diese Vorbilder sind essenziell: Sie inspirieren, bieten Orientierung, finanzielle Ressourcen, Netzwerke und zeigen, was möglich ist. Ohne sie bleibt Unternehmer:innentum für viele Frauen abstrakt und unerreichbar.
Vereinbarkeit bleibt herausfordernd
Gründerinnen stehen bei einer Mutterschaft vor deutlich höheren finanziellen Belastungen als angestellte Frauen, da sie zusätzlich vorsorgen müssen und kaum die Möglichkeit haben, mehrere Monate aus dem Beruf auszusteigen. Besonders in kleinen Teams kann ihr Ausfall das Geschäft gefährden. Trotz dieser Doppelbelastung leisten Gründerinnen wie andere Frauen überdurchschnittlich viel Care-Arbeit: Ihre wöchentliche Arbeitszeit reduziert sich mit Kindern im Schnitt um 5,8 Stunden – bei männlichen Gründern hingegen nur um eine Stunde. Laut der Studie Spannungsfeld Vereinbarkeit sind sich viele Männer dieser Ungleichverteilung kaum bewusst.
Gleichzeitig verschärft der Mangel an Betreuungsplätzen die Situation. 2023 fehlten bundesweit rund 383.600 KiTa-Plätze, davon allein 270.980 für unter Dreijährige. Besonders betroffen sind Kinder unter einem Jahr – für sie existiert kein Rechtsanspruch auf Betreuung. Gründer:inneneltern sind aber oft auf externe Betreuung angewiesen, insbesondere in der frühen Phase nach der Geburt. Da die Platzvergabe Kinder ab einem Jahr bevorzugt, gehen jüngere häufig leer aus. Zudem ist Betreuung in Großgruppen für unter Einjährige aus pädagogischen Gründen kaum geeignet – ein weiterer Engpass für Gründer:innenfamilien.
Mangelnde Netzwerke und Kompetenzen
Zwischen 2021 und 2024 lag laut einer RKW-Studie zu Female Entrepreneurship der Anteil an Sologründerinnen konstant über 50 Prozent (bei Männern rund 20 %). Das zeigt: Frauen gründen häufiger allein und verfügen über weniger Ressourcen und Netzwerke. Umso wichtiger ist der Ausbau von frauenspezifischen Netzwerken. Dabei zählt nicht nur die Anzahl, sondern auch die Qualität: Frauen brauchen Räume, in denen sie frei von geschlechtsspezifischen Stereotypen agieren können – unabhängig von Herkunft, Auftreten oder Kommunikationsstil.
Geschützte Netzwerke fördern freies Handeln und Risikobereitschaft, da hier die eigene Geschichte nicht fremdbestimmt wird. In männerdominierten Umfeldern hingegen wirken sogenannte „Stereotype Threats“: Die Angst, negativen Erwartungen zu entsprechen, führt zu vorsichtigerem Verhalten. In reinen Frauennetzwerken tritt dieser Effekt deutlich seltener auf.
Deshalb ist es entscheidend, solche „sicheren Räume“ entlang der gesamten Gründungsreise – von der Ideenphase bis zur Beteiligung am Startup-Ökosystem – zu schaffen und zu stärken. Ebenso wichtig sind gezielte Bildungsangebote und Sensibilisierung für stereotype Diskriminierung in gemischten Teams und Finanzierungsnetzwerken, damit weibliche Gründerinnen nicht benachteiligt werden.
Finanzierung ausbauen
Finanzierung bleibt für Gründerinnen eine zentrale Hürde. Zwar haben sich laut Female Founders Monitor 2025 die Zahl von VC-Finanzierungen von weiblichen und Mixed Teams zwischen 2017 und 2024 fast verdoppelt und das Kapitalvolumen mehr als fast vervierfacht. Dennoch fließen 91 Prozent des Kapitals in reine Männerteams, d.h. die Beträge für Frauen sind im Schnitt dreimal geringer – trotz vergleichbaren Kapitalbedarfs. Dies führt zu zurückhaltenderen Planungen. Auch bei privaten Kapitalquellen zeigt sich ein Ungleichgewicht, 39 Prozent der Gründerinnenteams würden Business-Angel-Kapital bevorzugen, aber nur 20 Prozent erhalten es. Bei männlichen Teams liegt die Quote bei 38 Prozent Wunsch und 35 Prozent tatsächlichem Erhalt.
Die Studie She’s got Wings, 2023 gemeinsam mit encourageventures e.V. erstellt, zeigt: Nur 13,6 Prozent der Business Angels in Deutschland sind Frauen. Dennoch sind sie wichtige Akteurinnen, da sie Diversität im Gründungsteam und Nachhaltigkeit im Geschäftsmodell stärker berücksichtigen. Sie fördern gezielt Gründerinnen, wirken als Vorbilder und unterstützen ideell durch Mentoring – mit langfristigem Einfluss auf die Startup-Kultur.
Seit 2023 stärkt das Förderprogramm EXIST-Women gezielt Gründerinnen durch Information, Weiterbildung und Finanzierung. Erste Erfolge in der Beteiligung von Frauen an Gründungen sind laut 1. Monitoringbericht sichtbar. Mit langfristiger Ausrichtung und solidem Fundament hat diese Form der Förderung großes Potenzial, den Anteil weiblicher Gründungen nachhaltig zu steigern.
So können wir Gleichberechtigung in der Gründungsförderung ausbauen
1. Netzwerke und Mentoring-Programme aufbauen
Ein starkes Netzwerk ist entscheidend für den Erfolg von Startups. Frauen haben oft weniger Zugang zu bestehenden Netzwerken, die für die Geschäftsentwicklung wichtig sind. Der Ausbau von Netzwerken und Circles of Power, die speziell auf Frauen ausgerichtet sind, kann helfen, diese Lücke zu schließen. Hier können Gründerinnen sich vertraulich austauschen. Dies ist mindestens so wichtig wie die stärkere Öffnung bestehender Netzwerke, in denen die Gründerinnen ihren Mut unter Beweis stellen können. Mentoring-Circles sind besonders effektiv, um Frauen in der Gründungsphase zu unterstützen, wie Best Practice Studien des Hochschulnetzwerks Women Entrepreneurs in Science zeigen. Beispiele aus den USA und Skandinavien zeigen. Hier bedarf es solide aufgestellter Programme, die Mentorinnen und Mentees von der Ideenfindung bis zum Wachstum einen gemeinsamen Weg ermöglichen.
Handlungsempfehlung
2. Vereinbarkeit stärken
Für junge Frauen steht viel zu oft die Gründung einer Familie im Widerspruch zur Gründung eines Unternehmens, meist in einer Lebensphase in der beides ein (noch) eher abstraktes Konstrukt darstellt. Das Narrativ von „Du kannst das eine nicht mit dem andern haben“ muss aufgelöst werden. Hierfür gilt es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die zum einen Gründerinnen in der Phase rund um die Geburt als werdende Mütter unterstützen. Zum anderen gilt es, die paritätische Verteilung von Care-Arbeit zu fördern, sodass gründende Eltern unabhängig von ihrem Geschlecht beide Rollen miteinander vereinbaren können.
Handlungsempfehlung
3. Zugang zu Finanzierung erleichtern
Eine der größten Hürden für Frauen bei der Gründung von Startups ist der Zugang zu Kapital. Private Investor:innen spielen bei der Gründungsfinanzierung eine zentrale Rolle. Hier gilt es, noch zahlreichere und im Volumen größere Fonds einzurichten, die sich auf die Finanzierung von Frauen in der Gründungsphase explizit konzentrieren und Diversität im Team als ein Investmentkriterium in ihre Entscheidungen miteinbeziehen. Zahlreiche Studien zeigen, dass Frauen oft weniger Kapital erhalten als Männer, selbst wenn sie ähnliche Geschäftsideen präsentieren.
Handlungsempfehlung
4. Entrepreneurship Education intensivieren
Bildung spielt eine entscheidende Rolle bei der Gründung von Startups. Frauen sollten Zugang zu spezifischen Bildungsangeboten haben, die auf ein unternehmerisches Mindset, Fähigkeiten und Kenntnisse abzielen, auch außerhalb staatlicher Bildungseinrichtungen. Entrepreneurship und Financial Education ist ein lebenslang relevantes Thema. Hier gilt es, einerseits Wissen zu vermitteln, über nahbare Vorbilder Kontakte zu ermöglichen und sich in sicheren Räumen persönlich weiterentwickeln zu können, sei es in der Rolle der Gründerin oder der 2nd-Gen-Investorin. Ebenso gilt es, mehr Rollenvorbilder in Bildungsunterlagen entlang des gesamten Bildungsverlaufs zu zeigen.
Handlungsempfehlung
Zum Weiterlesen
[1] Hirschfeld, Alexander, Jannis Gilde, Vanusch Walk, Franziska Teubert, Clara Stellbrink (2025). Female Founders Monitor 2025. Bertelsmann Stiftung.
[2] Kümmerling, Angelika, Lina Zink, Andreas Jansen (2025). Spannungsfeld Vereinbarkeit: Arbeitsaufteilung, Geschlechterrollen und Aushandlungen im Paarkontext. Bertelsmann Stiftung.
[3] Hölzner, Heike M., Heike Wemhoff, Vanessa Fischer (2023). She’s got Wings Eine Analyse weiblicher Business Angels und ihres Investmentverhaltens. Bertelsmann Stiftung.
[4] Stein, Annette, Kathrin Bock-Famulla (2022). 2023 fehlen in Deutschland rund 384.000 Kita-Plätze. Bertelsmann Stiftung.
Weitere Quellen
[5] DIHK – Deutsche Industrie- und Handelskammer (2024). DIHK-Report Unternehmensgründung 2024. Schlechte Noten für den Standort Deutschland.
[6] Eckardt, Iris, Marcus Neuhold; Christoph E. Müller (2024). Monitoringbericht Nr.1. zum Förderprogramm EXIST-Women. Projektträger Jülich Forschungszentrum Jülich GmbH
[7] Fichter, Klaus, Yasmin Olteanu, Alexander Hirschfeld, Vanusch Walk, Jannis Gilde, Tim Grothey und Thomas Neumann (2024). Green Startup Monitor 2024. Borderstep Institut, Bundesverband Deutsche Startups e. V..
[8] Global Education Monitoring Report Team (2023). Technology in Education: a Tool on Whose Terms?. UNESCO, France.
[9] Goldschmidt, Nils, Romina Kron und Marco Rehm (2024). Marktwirtschaft und Unternehmertum in Schulbüchern. Eine Analyse der ökonomischen Inhalte in deutschen Schulbüchern. Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.
[10] Kiefl, Sophia, Katharina Scharpe, Arian Ajiri, Jessamine Davis, Martha O. Marik, Liana Heinrich, Daniela Deuber und Merlind Harms (2024). 5. Deutscher Social Entrepreneurship Monitor 2024. Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND).
[11] RKW-Kompetenzzentrum (2024) Themenheft: „Female Entrepreneurship“ – Ansätze für mehr Gründungen durch Frauen.
[12] Walk, Vanusch, Alexander Hirschfeld, Jannis Gilde, Sven Grabbe (2024). EDTECH Startup Monitor Bildung neu gedacht: Startups als Treiber des Wandels 2025. Startup Verband und Founders Foundation.
[13] WES – Women Entrepreneurs in Science (2024). Best Practice Scouting.