Handlungsempfehlungen auf einen Blick Worte der Schirmfrau – Mona Neubaur Call to Action

Für mehr Quantität und Qualität im Gründungsökosystem  

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Wir leben in Zeiten des Wandels. Die Wirtschaft muss innovativ sein, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Jedoch scheitern laut KfW-Gründungsmonitor doppelt so viele Gründungsvorhaben, wie tatsächlich umgesetzt werden. Bürokratie, Kapitalmangel und ein starkes Sicherheitsbedürfnis bremsen zusätzlich. Besonders Startups bleiben rar: Zwischen 2019 und 2025 entstanden jährlich nur rund 2.400 bis 3.200 – insgesamt gibt es etwa 20.000 in Deutschland. Hier ist Luft nach oben.

Gleichzeitig erfordert der Übergang zu einer nachhaltigen sozialen Marktwirtschaft entschlossenes Handeln in nahezu allen Bereichen. Um den Herausforderungen unserer Zeit – vom Klimawandel über Ressourcenknappheit bis hin zu sozialen Spannungen – wirksam zu begegnen, braucht es nicht nur technologische Innovationen. Ebenso gefragt sind kreative unternehmerische Lösungen für gesellschaftliche Aufgaben: etwa beim Umgang mit dem demografischen Wandel, der Förderung sozialer Teilhabe oder dem Aufbau resilienter Strukturen.

Damit neue Ideen zu wirksamen Antworten auf diese Herausforderungen werden können und wieder mehr Fahrt ins deutsche Startup-Geschehen kommt, müssen mehr Menschen mit unterschiedlicheren Profilen in die Lage versetzt werden, diese Ideen in tragfähige Geschäftsmodelle zu überführen – solche, die sowohl ökonomischen als auch sozialen und ökologischen Mehrwert schaffen. Dafür braucht es eine inklusivere Gründungskultur – doch genau hier stockt es. 

Abbildung 1:

Entwicklung von Startup-Gründungen 2019-2025

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Sand im Getriebe – warum es beim Gründen stockt   

Wie steht es um das Gründungsgeschehen in Deutschland? Warum wollen nicht mehr Menschen gründen? Ermutigt das Gründungsökosystem mehr Vielfalt unter Gründer:innen, um die dringend benötigten Erneuerungen zu schaffen, unabhängig von Geschlecht, Alter, ethnischer oder sozialer Herkunft? Wie sollten wir über Wirkungsorientierung denken, wenn wir Vielfalt fördern wollen?

Derzeit prägt ein relativ homogenes Gründer:innenprofil das Startup-Ökosystem: Laut dem Deutschen Startup Monitor 2024 sind über 80 Prozent männlich, die Mehrheit ist zwischen 25 und 34 Jahre alt, akademisch ausgebildet und stammt häufiger aus akademischen Elternhäusern. Damit bleibt ein großer Teil der Bevölkerung unterrepräsentiert – insbesondere Frauen, die 50 Prozent der Bevölkerung und mittlerweile laut Statistischem Bundesamt auch die Mehrheit der Hochschulabsolvent:innen ausmachen.

21,1 Prozent der Gründer:innen verfügen über Migrationsbezug, womit ihr Anteil nur geringfügig unter dem entsprechenden Wert in der allgemeinen Erwerbsbevölkerung liegt. Dennoch mangelt es an gezielten Fördermaßnahmen sowie an einer strukturellen Sichtbarkeit dieser Vielfalt. Eine Studie zu Diversity, Equity und Inclusion im Startup-Geschehen von 2024 zeigt: Gründerinnen nehmen Diversität als wichtig wahr und berichten häufig von Diskriminierungserfahrungen. Gleichzeitig verliert das Thema bei wachsender Unternehmensreife an Bedeutung – obwohl Vielfalt gerade dann für Wachstum, Talentgewinnung und Innovationskraft entscheidend wäre.

Erste politische Maßnahmen zur Öffnung des Startup-Ökosystems wurden angestoßen, doch es fehlt bislang an einer kontinuierlichen Strategie, die diesen Weg fortsetzt. Eine stärkere, zielgruppenübergreifende Förderung könnte Gründungen in Deutschland nicht nur inklusiver, sondern auch zukunftsfähiger machen und mehr Menschen zum Gründen motivieren – denn durch Vielfalt steigen Bandbreite und Qualität innovativer Gründungen und des Ökosystems selbst.

Startups sind Unternehmen jünger als zehn Jahre, die mit Technologie und/oder Geschäftsmodell (hoch-)innovativ sind und ein signifikantes Mitarbeitenden- und/oder Umsatzziel haben (oder dieses anstreben).

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Startup-Förderung in Deutschland 2021–2025 und Perspektiven ab 2025: Vielfalt als Chance

Mit dem Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ (2021) legte die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP erstmals eine ressortübergreifende Startup-Strategie vor. Ziel war es, Deutschland als innovationsfreundlichen Standort weiterzuentwickeln – und gleichzeitig den Zugang zur Gründung für bislang unterrepräsentierte Gruppen, vor allem für Frauen oder Menschen mit Migrationshintergrund, zu verbessern.

Gründerinnen gezielt stärken

Ein klarer Fortschritt war die Förderung von Gründerinnen: Das 2023 eingeführte Programm EXIST Women richtet sich gezielt an Studentinnen und Wissenschaftlerinnen, ergänzt durch ein geplantes Gründerinnen-Stipendium aus dem Zukunftsfonds. Die Emerging Manager Facility (EMF) stellt Kapital für von Frauen geführte VC-Fonds bereit. Maßnahmen wie divers besetzte Investitionsgremien und familienfreundlichere Gründungsbedingungen (z. B. Mutterschutz für Selbstständige, Elterngeldreform) wurden angestoßen, aber nicht vollständig umgesetzt.

Die Koalition aus CDU/CSU und SPD will diesen Kurs fortsetzen und das Gründerinnen-Stipendium ausbauen. Neu hinzu kommt das Ziel, einen gesetzlich geregelten Mutterschutz für Selbstständige einzuführen – ein überfälliger Schritt für mehr Vereinbarkeit von Gründung und Familie. Auch die EMF-Förderung und die Rolle weiblicher Vorbilder sollen ausgebaut werden.

Chancen für Gründer:innen mit Migrationshintergrund

Die Ampelkoalition benannte erstmals explizit die Förderung von Migrant:innen in ihrer Gründungsstrategie. Neben mehrsprachigen Beratungsangeboten und dem Programm Migrant Accelerator setzte man auf Narrative kultureller Vielfalt. Das EXIST-Startup-Visum ermöglicht internationalen Gründenden den Markteintritt in Deutschland, ist aber bislang wenig bekannt und zu bürokratisch.

Im Koalitionsvertrag 2025 wird diese Gruppe nicht explizit genannt, kann aber von geplanten Strukturreformen profitieren: Die neue Koalition setzt auf vereinfachte Gründungsverfahren, digitale Verwaltungsprozesse (z. B. „Gründung in 24 Stunden“) und leichtere Visa- und Einwanderungsregelungen – Maßnahmen, die gerade für Menschen ohne etabliertes Netzwerk oder mit Sprachbarrieren entscheidend sind.

Soziale Aufsteiger:innen im Gründungsgeschehen

Viele der Maßnahmen der Ampel zielten mehr oder weniger implizit auf bessere Gründungschancen für Menschen ohne Zugang zu Kapital, Beratung oder Vorbildern: Mikrokredite, der erleichterte Zugang zum Gründungszuschuss und sozialpolitische Reformen wie das Bürger:innengeld schufen neue Anreize. Programme wie die Impact Factory oder das Social Impact Lab wurden öffentlich flankiert.

Die kommende Koalition aus CDU/CSU und SPD verfolgt einen strukturellen Ansatz: Mit dem neuen Deutschlandfonds (10 Milliarden Euro) sollen insbesondere Gründungen außerhalb klassischer Netzwerke leichter an Kapital kommen. Zusätzlich ist ein One-Stop-Shop für Gründungen vorgesehen, ergänzt um eine mögliche „Gründerschutzzone“ mit vereinfachten Auflagen in der Anfangsphase.

Gründen aus allen Lebenslagen: Jung und Alt

Die Ampelpolitik betonte die Idee der „Gründung aus allen Lebenslagen“. Jüngere Gründer:innen profitierten etwa vom gestärkten EXIST-Stipendium, vereinfachten Gründungsprozessen (z. B. digitaler Notar) und verbesserter Mitarbeitendenbeteiligung. Für ältere Gründer:innen war das Thema Unternehmensnachfolge zentral – geplant war ein neues Förderinstrument, das jedoch nicht mehr umgesetzt wurde.

Die CDU/CSU-SPD-Koalition greift diese Themen auf: Sie plant mit dem Zukunftsfonds II gezielte Förderung von Hochschulausgründungen (insbesondere im Deep-Tech-Bereich) und will unternehmerisches Denken durch Entrepreneurship Education in Schulen und Hochschulen fördern. Für ältere Gründer:innen steht vor allem die Erleichterung von Nachfolgeregelungen im Mittelstand im Fokus. Zudem ist eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige vorgesehen – sozial abgesichert und „gründerfreundlich“ ausgestaltet.

Der Weg von der Öffnung zur Verstetigung ist möglich

Die Startup-Politik der Ampelregierung hat einen inklusiven Wandel eingeleitet. Nie zuvor wurden Diversität, Geschlechtergerechtigkeit und soziale Herkunft so deutlich als Innovationsfaktor anerkannt. Programme wie EXIST Women, EMF, der Migrant Accelerator oder der Ausbau digitaler Gründungsprozesse markieren Fortschritte, auch wenn viele Reformen in der Umsetzung stockten.

Die Koalition CDU/CSU und SPD 2025 signalisiert Kontinuität – mit einem stärkeren Fokus auf rechtliche Verankerung, strukturelle Absicherung und Kapitalzugang. Während die Ampel vor allem Pilotprojekte initiierte, will die neue Regierung die Startup-Förderung skalieren und vereinfachen. Damit könnte eine Gründung in Deutschland künftig nicht nur offener, sondern auch planbarer und gerechter werden. Es ist sehr begrüßenswert, dass bereits im September 2025 ein neuer Konsultationsprozess zur Startup und Scaleup-Strategie startete. Startups können dann zu Scaleups werden, wenn Talente auf unterstützende Netzwerke, Finanzierung und kooperative Institutionen treffen. Daher ist es erfolgsentscheidend, dass in erster Linie inklusive Ökosysteme gefördert werden.

Wir definieren fünf Ziele, um Vielfalt als Innovationstreiber und für mehr Nachhaltigkeit zu fördern. Mehr Diversität und ein offeneres Gründungsökosystem erhöhen die gesellschaftliche Teilhabe, erweitern technologische, soziale und ökologische Innovationen und machen Deutschland attraktiver und wettbewerbsfähiger.