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Außenwirtschaftliches Gleichgewicht

Die Bekämpfung des Klimawandels und die Maßnahmen, die ein Land zur Reduzierung seiner territorialen Treibhausgasemissionen ergreift, können potenziell zu Zielkonflikten zwischen den außenwirtschaftlichen Aktivitäten eines Landes und der ökologischen Nachhaltigkeit führen. Darüber hinaus führen die globale Erwärmung und der Klimawandel zu einer Störung grenzüberschreitender Aktivitäten und beeinflussen so das außenwirtschaftliche Gleichgewicht. Ambivalente Zielbeziehungen gibt es in Bezug auf außenwirtschaftliche Resilienz und Unabhängigkeit.

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Definition

In der ökonomischen Theorie wird von einem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht im klassischen Sinne gesprochen, wenn die Einnahmen eines Landes im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung ungefähr genauso hoch sind wie seine Ausgaben. Vor dem Hintergrund des technologischen Fortschritts, des Klimawandels sowie aktueller Krisen und Konflikte erwachsen jedoch neue, facettenreichere Abhängigkeiten und geopolitische Risiken, die für die heimische Wirtschaftsentwicklung und damit für die wirtschaftspolitische Steuerung von entscheidender Bedeutung sind. Das Ziel des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts sollte deshalb zusätzlich auch als eine Situation verstanden werden, in der die positiven Auswirkungen des Außenhandels überwiegen, während die Risiken, die sich aus kritischen Abhängigkeiten ergeben, minimiert sind.

Erwirtschaftet ein Land im Außenhandel einen Exportüberschuss (Handelsbilanzüberschuss), lebt es unter seinen Verhältnissen, weil nicht alle hergestellten Güter im eigenen Land verbraucht werden. In der Folge baut das Land Vermögen gegenüber dem Ausland auf, wodurch Einkommen generiert wird und die Konsummöglichkeiten der Bevölkerung sich erhöhen. Aufgrund der hohen Exporte wächst die Beschäftigung. Für ein Land mit einem Handelsbilanzdefizit (Importüberschuss) ergeben sich spiegelbildliche Konsequenzen. Ein moderater Handelsbilanzüberschuss – vor allem aufgrund seiner positiven Auswirkungen auf das inländische Beschäftigungsniveau – ist somit ein erstrebenswerter Zustand.

Eine kritische Abhängigkeit ist in der wirtschaftswissenschaftlichen und politischen Diskussion nicht einheitlich definiert. Grundsätzlich liegt sie vor, wenn ein Land im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung darauf angewiesen ist, dass es bestimmte Vorleistungen, Rohstoffe oder Endprodukte aus dem Ausland erhält, und die Funktionsfähigkeit der heimischen Wirtschaft erheblich beeinträchtigt wird, wenn diese Importe ausfallen. Eine Abhängigkeit kann auch aus der Wichtigkeit eines Handelspartners als Absatzmarkt für Exporte erwachsen. Für eine rohstoffarme Volkswirtschaft und großen Industriestandort wie Deutschland sind Importabhängigkeiten besonders mit Blick auf fossile Energieträger und natürliche Rohstoffe relevant.

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Entwicklung

Die außenwirtschaftlichen Beziehungen eines Landes werden in der Zahlungsbilanz aufgeführt. Diese erfasst sämtliche ökonomische Transaktionen zwischen inländischen und ausländischen Wirtschaftseinheiten, die innerhalb eines Jahres stattfinden. Eine Teilbilanz der Zahlungsbilanz ist die Leistungsbilanz, die im internationalen Kontext der am häufigsten verwendete Indikator für außenwirtschaftliche Beziehungen ist. Sie bildet den grenzüberschreitenden Austausch von Waren, Dienstleistungen (inkl. Lizenzen für die Nutzung von Patenten) und Produktionsfaktoren ab.

Abbildung 1: Grundstruktur einer Zahlungsbilanz und ihrer Teilbilanzen

Die Entwicklung des deutschen Leistungsbilanzsaldos ist international einmalig: In den 1990er-Jahren wies Deutschland ein Leistungsbilanzdefizit auf. Die deutsche Volkswirtschaft benötigte umfangreiche Ressourcen zum Wiederaufbau der Infrastruktur in den neuen Bundesländern. Es standen somit keine Güter für einen Exportüberschuss bereit. Seit Beginn der 2000er-Jahre erzielt Deutschland hohe Leistungsbilanzüberschüsse, die in der Spitze (im Jahr 2015) bei 8,6 Prozent des BIP lagen. Seit 2006 liegt der deutsche Leistungsbilanzüberschuss bei über sechs Prozent des BIP und damit über dem von der EU vorgegebenen maximalen Überschuss. Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss gehört seit zwei Jahrzehnten zu den höchsten weltweit.

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Zielbeziehung

Der Klimawandel beeinträchtigt Export- und Importmöglichkeiten

Aus der globalen Erwärmung und dem Klimawandel ergeben sich zahlreiche Konsequenzen, die sich auf wirtschaftliche Aktivitäten auswirken und die außenwirtschaftlichen Beziehungen eines Landes beeinflussen. Die Folgen des Klimawandels können die internationale Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Unternehmen verschlechtern und gesamtwirtschaftliche Exporte reduzieren. Weiterhin hängt es von der wirtschaftlichen Entwicklung im Rest der Welt ab, ob es im Ausland eine ausreichend hohe Kaufkraft gibt, mit der die Produkte des Inlands nachgefragt werden können. Beeinträchtigt der Klimawandel im Ausland die wirtschaftliche Entwicklung, reduziert das die Exportchancen des Inlands.

Gleichzeitig ist die inländische Wirtschaft in einer Welt mit internationaler Arbeitsteilung auf importierte Konsumgüter und Vorleistungen angewiesen, wenn diese nicht von einheimischen Unternehmen bereitgestellt werden. Durch den Klimawandel kann es zu einem Ausfall dieser Importe kommen. Auch ohne tatsächlich eintretende Schäden können die Kosten für die internationale Arbeitsteilung ansteigen, weil Unternehmen Vorsorgemaßnahmen (z. B. größere Lagerbestände oder zusätzliche Versicherungen gegen Ausfallrisiken) treffen.

Klimapolitische Maßnahmen senken kurzfristig den Handelsbilanzsaldo

Kurzfristig wirken sich die Maßnahmen eines Landes zur Reduzierung seiner territorialen Treibhausgasemissionen negativ auf den Handelsbilanzsaldo aus: Ein höherer CO2-Preis und Investitionen zur Dekarbonisierung der einheimischen Wirtschaft reduzieren die Exporte und erhöhen die Importe des Landes. Mit Blick auf die deutsche Handelsbilanz bedeutet dies, dass der hohe Handelsbilanzüberschuss reduziert wird und einem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht im klassischen Sinne näherkommt.

Mittel- und langfristig, also nach einer erfolgreichen ökologischen Transformation der Wirtschaft, kann sich die Klimaneutralität positiv auf den Handelsbilanzsaldo auswirken. Da fossile Ressourcen früher oder später nicht mehr zur Verfügung stehen und immer mehr Länder eine Klimaneutralität anstreben, werden grüne Technologien und die mit ihnen hergestellten Produkte künftig ein entscheidender internationaler Wettbewerbsvorteil sein. Ein klimaneutrales Land könnte in Zukunft demnach mehr exportieren und weniger importieren.

Carbon Leakage kann den Erfolg inländischer Dekarbonisierungsmaßnahmen dämpfen

Eine strenge Klimapolitik im Inland erhöht den Anreiz, emissionsintensive wirtschaftliche Aktivitäten in Länder zu verlagern, die keine oder nur sehr geringe Preise für Treibhausgasemissionen fordern. Die Verlagerung von Emissionen ins Ausland wird als Carbon Leakage bezeichnet.

Wie hoch die durch Carbon Leakage verursachten Emissionsverlagerungen allerdings sind, ist empirisch nicht eindeutig. Die bisher vorliegende Empirie deutet darauf hin, dass das Ausmaß einer Verlagerung von Treibhausgasemissionsquellen in andere Länder als Reaktion auf einen höheren Emissionspreis im eigenen Land bisher gering ist.

Ein Maß zur Quantifizierung des Ausmaßes der Emissionsverlagerungen ist die Carbon Leakage-Rate. Sie gibt an, wie viele Tonnen Treibhausgasemissionen im Ausland entstehen, wenn im Inland die einheimische Klimapolitik eine Reduktion der Emissionen verursacht. Eine Carbon Leakage-Rate von 15 Prozent bedeutet: Wenn die Klimapolitik die Treibhausgasemissionen im Inland um 100 Tonnen reduziert, kommt es im Rest der Welt zu einem Anstieg der Emissionen um 15 Tonnen. Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die gesamtwirtschaftlichen Carbon Leakage-Raten in industrialisierten Ländern zwischen fünf und 30 Prozent betragen.

Allerdings muss beachtet werden, dass der finanzielle Druck, Produktionsverlagerungen wegen eines höheren Emissionspreises anzustoßen, aufgrund niedriger CO2-Preise und der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten in der EU gegenwärtig noch schwach ist. Mit zukünftig steigenden CO2-Preisen wird auch das Risiko von Carbon Leakage wachsen und die außenwirtschaftlichen Beziehungen eines Landes stärker beeinflussen. Wandert emissionsintensive Produktion ins Ausland ab, nehmen die Importe zu, während die Exporte sinken. Entsprechend verringert sich der Handelsbilanzsaldo. Gleichzeitig steigt die Abhängigkeit von Importen, da bestimmte emissionsintensive Güter im Inland nicht mehr hergestellt werden.

Dekarbonisierung reduziert alte und schafft neue Abhängigkeiten

Das Erreichen der Klimaneutralität kann jedoch auch einen Beitrag zur Reduzierung der Abhängigkeit von Importen leisten. Rohstoffarme Länder wie Deutschland sind gegenwärtig noch auf den Import fossiler Energie angewiesen. Entsprechend sind die Versorgungslage und die Produktionsprozesse hierzulande wirtschaftlich davon abhängig, dass die Lieferung dieser Importe nicht unterbrochen wird. Dadurch machen sich rohstoffarme Länder politisch erpressbar, denn exportierende Länder können ihre Rohstofflieferungen zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele instrumentalisieren.

Kritische Abhängigkeiten lassen sich durch eine Dekarbonisierung der Wirtschaft verringern: Je weniger fossile Energie Deutschland benötigt, desto geringer sind die wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeiten von den Lieferländern. Doch im Zuge der Transformation kann es auch zu neuen Abhängigkeiten kommen, etwa bei erneuerbaren Energien oder klimaneutralem Wasserstoff. Ebenso können auch Abhängigkeiten bei Rohstoffen, Vorleistungen oder entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Klimaschutztechnologien entstehen. Denkbare Beispiele hierfür wären Deutschlands Bedarf an Seltenen Erden oder Photovoltaikmodulen. Das Austarieren dieses Zielkonflikts bedeutet schlussendlich, im politischen Diskurs abzuwägen zwischen dem gewollten Grad der Importabhängigkeit und den ökonomisch vertretbaren Kosten sowie der gewünschten Geschwindigkeit der ökologischen Transformation.

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Politischer Handlungsbedarf

Internationale Klimaschutzbemühungen und eine Steigerung der Ressourceneffizienz vorantreiben

Carbon Leakage kann auch bei steigenden CO2-Preisen eingedämmt werden, etwa durch die außenwirtschaftliche Flankierung des inländischen CO2-Preises. Eine Maßnahme dazu ist die Einführung eines steuerlichen CO2-Grenzausgleichsmechanismus. Zum Ausgleich des durch den CO2-Preis entstehenden preislichen Wettbewerbsnachteils für einheimische Unternehmen werden Produkte, die aus dem Ausland importiert werden, mit einer Emissionsabgabe bzw. einem CO2-Zoll in Höhe des inländischen CO2-Preises belastet. Damit verlieren ausländische Produkte ihren Preisvorteil. Die EU plant im Rahmen der Reform ihres Emissionshandelssystems (EU-ETS) die Einführung eines CO2-Grenzausgleichsmechanismus, um der Verlagerung von Treibhausgasemissionen entgegenzuwirken und mögliche Wettbewerbsnachteile für europäische Produzenten auszugleichen.

Ein ähnlicher Effekt ergibt sich durch die Einführung eines gemeinsamen CO2-Preises, etwa im Rahmen eines sogenannten Klimaklubs. Im aktuellen handels- und geopolitischen Kontext und aufgrund unterschiedlicher klimapolitischer Handlungsansätze erscheint ein globaler CO2-Mindestpreis zurzeit jedoch unwahrscheinlich.

Zur Vermeidung kritischer Energie- und Rohstoffabhängigkeiten spielen auch der Ausbau der erneuerbaren Energien im Inland und die Diversifizierung der außenwirtschaftlichen Beziehungen eine entscheidende Rolle. Durch eine weitgehend autarke Energieversorgung und eine höhere Energie- und Ressourcenproduktivität nehmen die kritischen Abhängigkeiten gegenüber dem Ausland ab. Auch das Potenzial der zirkulären Wirtschaft ist gerade für eine rohstoffarme Volkswirtschaft wie Deutschland nicht zu unterschätzen.