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Der menschengemachte Klimawandel und die zunehmende ökonomische Ungleichheit bei gleichzeitigem Überfluss gehören zu den größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Der fortschreitende Klimawandel trifft und belastet sozioökonomisch benachteiligte Haushalte und ärmere Staaten stärker. Während die globale Erwärmung uns zwingt, das aktuelle Wirtschafts- und Gesellschaftssystem grundlegend zu transformieren, kann ein zu drastischer und unklug ausbalancierter Klimaschutz das Problem der ungleichen Verteilung weiter zuspitzen. Gleichzeitig kann sozialpolitisch flankierte Klimapolitik ökonomische Ungleichheit abbauen und Klimaschutz und sozialen Ausgleich miteinander vereinbaren.

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Definition

Eine dauerhaft steigende Ungleichverteilung gesellschaftlicher Teilhabechancen schadet Wirtschaft und Gesellschaft und widerspricht dem zentralen politischen Versprechen der Sozialen Marktwirtschaft. Ziel der Wirtschaftspolitik in Deutschland ist, dass alle Bürger:innen am wirtschaftlichen Aufschwung beteiligt werden und ein extremes Auseinanderklaffen der Lebensverhältnisse im Land verhindert wird. Daher gilt es, Maßnahmen zu setzen, die eine faire Einkommensverteilung sicherstellen oder wiederherstellen, ohne dabei das Leistungsprinzip und Aufstiegsmöglichkeiten zu unterminieren.

Seit den 1990er-Jahren ist jedoch zu beobachten, dass Wirtschaftswachstum in Deutschland und auch weltweit mit der Zunahme sozialer Ungleichheit einhergeht. Eine höhere Ungleichheit zieht weitere negative Folgeerscheinungen mit sich. Gesellschaftliche Teilhabe, sozialer Zusammenhalt, das politische System und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit werden durch eine ungerechte Verteilung gefährdet. Weiterhin kann eine zu hohe Einkommensungleichheit das in einer Volkswirtschaft zur Verfügung stehende Humankapital schwächen, da die Bildungschancen von Kindern häufig deutlich vom verfügbaren Familieneinkommen abhängen.

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Entwicklung

Zur Darstellung von Einkommensungleichheit werden unterschiedliche Messgrößen eingesetzt. Am häufigsten wird auf das gewichtete verfügbare Haushaltseinkommen (Nettoäquivalenzeinkommen) zurückgegriffen. Der sogenannte Gini-Index oder Gini-Koeffizient dient als Streumaß zur Messung der relativen Konzentration einer solchen Einkommensverteilung. Auf einer Skala von Null bis Eins gibt er Auskunft über das Ausmaß der Einkommensdisparität. Er nimmt den Wert Eins an, wenn eine einzelne Person 100 Prozent des Einkommens auf sich vereint (vollkommene Einkommensungleichheit), und den Wert Null, wenn das gesamte Einkommen gleichmäßig verteilt ist, also vollkommene Einkommensgleichheit herrscht. Das bedeutet, je höher der Gini-Koeffizient, desto höher die Ungleichheit.

Ökonomische Disparitäten nehmen in Deutschland zu

In Deutschland ist die Einkommensungleichheit heute deutlich größer als noch vor drei Jahrzehnten. Vor allem zwischen 1999 und 2005 ging die Schere zwischen Arm und Reich auseinander. Der Gini-Index der verfügbaren Haushaltseinkommen stieg in diesem Zeitraum von 0,25 auf 0,29. In den darauffolgenden Jahren setzte sich dieser Anstieg nicht fort, doch seit den 2010er-Jahren nahmen die Einkommensdisparitäten erneut zu und erreichten 2016 mit einem Gini von 0,307 ihren bisherigen Höchststand in Deutschland. Trotz zwischenzeitlicher Erholungsphasen deutet der langfristige Trend noch immer auf einen Anstieg der Einkommensungleichheit hin.

Einkommensdisparitäten haben in den vergangenen drei Jahrzehnten in weiten Teilen der westlichen Welt zugenommen. In den USA, Frankreich, Schweden und Deutschland ist der Gini-Index zwischen 2000 und 2018 zum Teil deutlich gestiegen, in Italien ist er konstant geblieben. Lediglich im Vereinigten Königreich ist seit 2000 insgesamt ein Rückgang der Einkommensungleichheit zu verzeichnen – allerdings steigt dort der Gini-Koeffizient seit 2012 wieder an. Ausgehend von einem relativ niedrigen Level verzeichnete Schweden im Verlauf der betrachteten 18 Jahre einen sehr starken Anstieg der Einkommensungleichheit, ebenso wie Deutschland, das unter den hier untersuchten sieben Ländern insgesamt einen Platz im Mittelfeld einnimmt.

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Zielbeziehung

Zwischen ökonomischer Ungleichheit und CO2-Emissionen bestehen vielfältige Wirkungskanäle

Innerhalb der Wissenschaft besteht Einigkeit darüber, dass der ökologische Fußabdruck von Privathaushalten eng mit dem verfügbaren Haushaltseinkommen zusammenhängt. Bezüglich der Auswirkungen der Einkommens- und Vermögensverteilung auf die Treibhausgasemissionen einer Volkswirtschaft gehen die Annahmen, Wirkungskanäle und damit auch die theoretischen Ableitungen der Wissenschaftler:innen allerdings auseinander. Einerseits wird eine negative Korrelation zwischen ökonomischer Ungleichheit und Treibhausgasemissionen angenommen – andererseits wird argumentiert, dass sich geringere Einkommens- und Vermögensdisparitäten positiv auf die ökologische Nachhaltigkeit auswirken.

Die einzelnen Wirkungskanäle sind dabei vielfältig. Empirische Untersuchungen in den USA zeigen, dass Geltungskonsum in ungleichen Gesellschafen eine wichtigere Rolle spielt als in egalitären Gesellschaften. Das Verlangen und der soziale Druck auf einzelne Individuen, die Konsummuster ökonomischer Eliten nachzuahmen, würden mit zunehmendem Auseinanderklaffen der Lebensverhältnisse in einer Gesellschaft ansteigen, und dieser Mehrkonsum führe zu einem Anstieg der Treibhausgasemissionen.

Der Einfluss der Einkommensungleichheit auf die Diffusion CO2-armer Produktinnovationen kann eine weitere Erklärung für den positiven Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Emissionsniveau liefern, da wohlhabende Haushalte häufig früh und robust nach umweltfreundlichen Produktinnovationen fragen und damit als Pioniere und Trendsetter entscheidend zur Verbreitung CO2-armer Alternativen auf Massenmärkten beitragen. Nehmen die Einkommensdisparitäten einer Gesellschaft allerdings zu, wächst die Differenz zwischen der Zahlungsbereitschaft der wohlhabenden Haushalte und der Zahlungsfähigkeit einkommensschwächerer Gesellschaftsteile. Dies schränkt die Verbreitung CO2-armer Produktalternativen ein.

In wohlhabenden Ländern ist höhere ökonomische Ungleichheit mit mehr CO2-Emissionen verbunden

Die empirische Forschung ist sich weitgehend einig, dass die Wirkung zunehmender Einkommens- und Vermögensdisparitäten auf die Treibhausgasemissionen vom sozioökonomischen Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft abhängt. Während eine stärkere Einkommens- und Vermögenskonzentration in Entwicklungsländern zu weniger Treibhausgasemissionen führt, treibt dieselbe Entwicklung die Emissionen in Schwellenländern und Industrienationen tendenziell in die Höhe. Der Abbau der ökonomischen Ungleichheit bewirkt somit in Ländern mit mittleren oder hohen Durchschnittseinkommen nicht mehr Treibhausgasemissionen, sondern kann sogar zu einer Verringerung des Emissionsniveaus führen.

Für wohlhabende Länder zeigt die empirische Forschung, dass größere ökonomische Ungleichheit mit höheren Treibhausgasemissionen einhergeht. Industrienationen mit größeren Einkommensdisparitäten haben tendenziell einen höheren Ressourcenverbrauch und produzieren mehr Abfall pro Einwohner:in. Gleichzeitig hängt der ökologische Fußabdruck eng mit dem verfügbaren Haushaltseinkommen zusammen. Finanziell bessergestellte Personen verbrauchen im Durchschnitt deutlich mehr Ressourcen und ihr CO2-Fußabdruck ist in der Regel größer.

Der Klimawandel trifft alle, aber nicht im gleichen Ausmaß

Auch die Folgen der globalen Erderwärmung sind nicht verteilungsneutral, sondern treffen Haushalte und Staaten in unterschiedlichem Ausmaß und beeinflussen die künftige Verteilung von Einkommen und gesellschaftlichen Teilhabechancen.

So sind einkommensschwache Haushalte den Folgen des Klimawandels nicht nur stärker ausgesetzt als ihre finanzkräftigeren Mitbürger:innen, sondern der Mangel an finanziellen Ressourcen erschwert es ihnen zudem, nach klimabedingten Schocks zu ihrem ursprünglichen Alltag zurückzukehren oder sich an klimabedingte Veränderungen anzupassen. So bedeuten die Kosten zur Vorbeugung oder Reparatur eines klimainduzierten Schadens für ärmere Haushalte eine schwere finanzielle Last. Auch Preissteigerungen für Nahrungsmittel bedingt durch Ernteausfälle sind eine finanzielle Herausforderung für Bezieher:innen geringer Einkommen.

Viele klimapolitische Maßnahmen belasten niedrige Einkommen überproportional

Eine zentrale klimapolitische Maßnahme ist die Bepreisung umweltschädlicher Emissionen. Doch ein CO2-Preis trifft Haushalte je nach sozioökonomischem Hintergrund in unterschiedlichem Maße. Obwohl der Energieverbrauch eines Haushalts tendenziell mit dessen Einkommen steigt, machen sich steigende Energiepreise für Bezieher:innen geringer Einkommen stärker bemerkbar, da diese prozentual einen wesentlich höheren Anteil ihres verfügbaren Haushaltseinkommens für Energie und Mobilität ausgeben.

Da die CO2-Bepreisung ohne sozialpolitische Flankierung einkommensschwache Haushalte stärker belastet als wohlhabende, kann sie die Ungleichheit zwischen den Einkommensgruppen erhöhen. CO2-Preise sind jedoch nicht das einzige klimapolitische Instrument, das eine regressive Wirkung zu Ungunsten sozioökonomisch Benachteiligter entfalten kann. Die Einführung technologischer Standards für Gebäude oder den motorisierten Individualverkehr sind weitere Beispiele.

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Politischer Handlungsbedarf

Sozialpolitische Flankierung ist ausschlaggebend für den Erfolg von Klimapolitik

Als prominentes Beispiel für die Folgen einer Klimapolitik, die Verteilungswirkungen nicht genügend berücksichtigt (hat), kann die französische Gelbwestenbewegung gesehen werden. Die von der französischen Regierung geplante Einführung einer nationalen CO2-Steuer auf Kraftstoffe und die damit einhergehende Preiserhöhung von Benzin und Diesel löste eine Protestbewegung aus. Als Reaktion kündigte die Regierung an, die Steuererhöhung vorerst auszusetzen. Dieses Beispiel zeigt: der Erfolg von Klimapolitik steht und fällt damit, dass die Bevölkerung die Maßnahmen zum Erreichen ökologischer Nachhaltigkeit mitträgt also willens und in der Lage ist, ihr Verhalten und ihren Konsum entsprechend anzupassen.

Zentral für die Akzeptanz der Bevölkerung, aber auch für die künftige Einkommensverteilung im Land, ist die Verwendung der Einnahmen, die mit einer klimapolitischen Maßnahme wie der CO2-Bepreisung generiert werden. Die regressive Wirkung eines CO2-Preises kann durch eine Rückverteilung der Einnahmen deutlich gemildert und sogar umgekehrt werden.

Die Bepreisung von CO2 und die Verwendung der daraus generierten Einnahmen zur Korrektur der Primärverteilung einer Volkswirtschaft sind zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für eine sozial ausgewogene Dekarbonisierung. Zusätzlich sind Investitionen in die öffentliche Infrastruktur wie ein attraktives und bezahlbares ÖPNV-Netz oder Maßnahmen zur Unterstützung der energetischen Gebäudesanierung erforderlich, da einkommensschwache Haushalte tendenziell stärker auf diese Angebote angewiesen sind.