Auf den Punkt
Die Technologieführer greifen als hochambitionierte technologische Avantgarde auf tief verankerte Innovationsstrukturen zurück, die durch systematisches Innovationsmanagement ergänzt werden. Die Technologieführer wachsen um einen Prozentpunkt zwischen 2019 und 2022. Ihr Innovationserfolg geht latent zurück. Die Distanz zu den Kooperativen Innovatoren nimmt zu.
Wer sind die Technologieführer?
Der Anteil der Technologieführer hat sich von 2019 (6 Prozent) zu 2022 (7 Prozent) kaum verändert. Es ist eine kleine Gruppe von besonders ambitionierten Unternehmen, die sich in Bezug auf ihre Innovationsaktivitäten und den Erfolg ihres Geschäftsmodells erkennbar von den restlichen Unternehmen abhebt.
Zu den Technologieführern gehören hochinnovative und sehr innovationsambitionierte Industrieunternehmen, vorrangig aus den Bereichen Metall und Elektro (2019: 36 Prozent; 2022: 25 Prozent), Maschinenbau (2019: 21 Prozent; 2022: 10 Prozent) und Chemie, Pharma und Grundstoffe (2019: 15 Prozent; 2022: 8 Prozent).
Die Technologieführer sind das Milieu mit den mit Abstand größten Unternehmen: Im Mittel beschäftigen sie zwischen 1.500 (2019) und 2.000 (2022) Mitarbeiter:innen.
Das Alter der Technologieführer liegt im Mittel bei 34 (2019) bzw. 41 Jahren (2022).
Der Innovationserfolg der Technologieführer
Wie in der gesamten Unternehmenslandschaft ist auch bei den Technologieführern der Unternehmensanteil mit innovativem Output in allen erfragten Bereichen von Innovation zurückgegangen. 2022 geben 82 Prozent der Technologieführer an, im Jahr zuvor Produktinnovationen hervorgebracht zu haben. 2019 waren dies noch 89 Prozent der Technologieführer. 67 Prozent der Technologieführer haben Prozessinnovationen hervorgebracht. 2019 taten dies noch 78 Prozent. 66 bzw. 47 Prozent der Technologieführer haben Organisations- bzw. Marketinginnovationen realisiert. 2019 waren dies noch 73 bzw. 54 Prozent.
Vergleicht man die Technologieführer 2022 mit allen Unternehmen, wird ihr klarer Fokus auf Produkt- und Prozessinnovationen deutlich. Das lässt sich durch den industriellen Branchenschwerpunkt des Milieus erklären. Insbesondere in Industrieunternehmen können Produkt- und Prozessinnovationen helfen, den Prozess der Produktion zu optimieren oder das finale Produkt durch inkrementelle Innovationen zu verbessern oder mittels radikaler Innovationen sogar zu ersetzen.
Niedriger ist der Vorsprung der Technologieführer im Bereich der Organisations- und Marketinginnovationen, die eher für dienstleistungsorientierte Unternehmen von Bedeutung sind. Zwar liegen die Technologieführer auch hier vor der Gesamtstichprobe, allerdings gibt es mit den Disruptiven Innovatoren ein anderes Milieu, das in diesen Bereichen noch mehr innovativen Output produziert.
Das Innovationsprofil der Technologieführer
Jedes Innovative Milieu zeichnet sich durch ein spezifisches Innovationsprofil aus. Denn die Milieus bestehen aus Unternehmen, die ähnliche Schwerpunkte in der Art setzen, wie sie zu Innovationen kommen. Das spezifische Innovationsprofil eines Milieus setzt sich aus den Faktoren zusammen, die die Unternehmen des Milieus bewusst einsetzen, um innovativ zu sein. Dazu gehören etwa die innerbetriebliche Organisation von Innovationsprozessen oder die Offenheit für Kooperationen mit der Wissenschaft. Daneben gibt es weitere Faktoren wie die spezifischen Bedingungen des wettbewerblichen Umfelds, in dem sich die Unternehmen bewegen. Auch dies beeinflusst das innovative Profil der Unternehmen.
Wir haben die Technologieführer und die Unternehmen der übrigen Milieus detailliert nach allen Faktoren befragt. Aus den Antworten ergibt sich das spezifische Innovationsprofil des jeweiligen Milieus. Zur besseren Verständlichkeit gliedern wir hier in drei Dimensionen: „Stellung im Wettbewerb“, „Vernetzung und Organisation“ sowie „Kultur und Kompetenz“.
Stellung im Wettbewerb
Die Antworten auf die Fragen zur Wettbewerbsposition zeigen die starke Stellung der Technologieführer: Diese Unternehmen sind in überdurchschnittlichem Maße in internationale Wertschöpfungsketten eingebunden, forschen sowohl im In- als auch im Ausland intensiver und verfügen erkennbar häufiger über Patente und andere Schutzrechte als die restlichen Unternehmen. Durch ihre stärkere Einbindung in internationale Märkte geben sie häufiger an, durch Konkurrenz aus dem Ausland bedroht zu sein und dass Produkte und Dienstleistungen schnell veralten. Dies ist auch eine Erklärung für die außerordentlich hohen Innovationsaktivitäten.
Die Antworten der Unternehmen aus dem Jahr 2019 unterscheiden sich von denen aus dem aktuellen Jahr nur geringfügig und für keine Frage strukturell. Bei den Technologieführern fällt auf, dass in beiden Jahren die Aussagen „Innovationen sind für Sicherung und Ausbau der Marktposition entscheidend“ und „Unsere Innovationsprojekte könnten für uns ein neues Geschäftsfeld öffnen“, gefolgt von Patenten und anderen gewerblichen Schutzrechten, die meiste Zustimmung erhielten. Die ersten beiden Aussagen haben die hohe Zustimmung – wenn auch auf einem deutlich geringeren Basisniveau – ebenfalls in den Gesamtstichproben beider Jahre.
Vernetzung und Organisation
Abgesehen von kleineren Abweichungen sind auch für die Dimension „Vernetzung und Organisation“ Trends und Schwerpunkte in beiden Befragungsjahren übereinstimmend. Bei den Technologieführern erkennt man, dass verglichen mit dem Jahr 2019 monetäre Anreizsysteme und Kooperationen mit der Wissenschaft ausgebaut wurden. Da der Unternehmensanteil innerhalb der Technologieführer mit nicht monetären Anreizsystemen dagegen leicht rückläufig ist, kann ein Verdrängungseffekt (sogenanntes „Crowding-Out“) hin zu monetären Anreizsystemen vermutet werden – innovative Partizipation wird in den Unternehmen der Technologieführer zunehmend finanziell honoriert.
Mit Blick auf die Gesamtstichprobe fallen im Allgemeinen die deutlich geringeren Zustimmungsraten im Vergleich zu den Technologieführern auf. Im Speziellen erkennt man, dass die Unternehmen im Jahr 2019 einen höheren Vernetzungs- und Organisationsgrad als aktuell aufwiesen. Dies zeigt sich daran, dass sowohl die Zusammenarbeit mit Start-ups, nicht monetäre Anreizsysteme als auch die dezentrale sowie die systematische Planung von Innovationen 2019 noch stärker ausgeprägt als 2022 waren.
Kultur und Kompetenz
Im Vergleich zu den beiden anderen Dimensionen erzielen die Fragen zur Dimension „Kultur und Kompetenz“ insgesamt deutlich höhere Zustimmungsraten. Dies trifft auf die Technologieführer und auch die übrigen Milieus zu. Auffällig ist aber, dass die Mittelwerte der Technologieführer im Vergleich mit 2019 angestiegen sind, während für das Gesamtsample die umgekehrte Beobachtung zutrifft. Schulungen in Innovationsmethoden sind jedoch bei den Technologieführern und in der gesamten Unternehmenslandschaft eine Rarität.
Corona: Technologieführer halten auch während Corona an Innovationsvorhaben fest
Im Durchschnitt erkennt man, dass die Unternehmen unterschiedlich auf die mit Corona verbundenen Herausforderungen reagiert haben, es aber eher eine verschiebende bzw. absagende als eine ausweitende Tendenz gibt. Mit 62 Prozent haben im Mittel der Stichprobe knapp zwei von drei Unternehmen ihre Innovationsaktivitäten in Folge der Krisensituation wie geplant umgesetzt.
Unter den Technologieführern ist dieser Anteil mit 86 Prozent deutlich stärker ausgeprägt. 19 bzw. 7 Prozent aller Unternehmen haben ihre Aktivitäten auf die post-pandemische Zeit verschoben bzw. sogar gänzlich abgesagt. Unter den Technologieführern haben lediglich 3 Prozent die Aktivitäten verschoben. Kein einziges Unternehmen gibt an, Innovationsaktivitäten aufgrund von Corona komplett abgesagt zu haben.
Die Reaktionen der Technologieführer zeigen, wie stark Innovationen in der Milieu-DNA verankert sind und dass vorübergehende Ausnahmesituationen den grundsätzlichen Innovationsfokus nicht verändern. Es ist zwar davon auszugehen, dass kurzfristige Anpassungen der Kooperationsweisen (z.B. Video-Calls) vorgenommen wurden, die langfristige und technologisch orientierte Innovationsausrichtung dürfte sich aufgrund der pandemischen Situation allerdings nicht verändert haben.
Interessanterweise fällt der Unternehmensanteil, der seine Aktivitäten ausgeweitet hat mit 12 bzw. 11 Prozent in den beiden Gruppen ähnlich groß aus. Diese Beobachtung offenbart, dass sich Unternehmen mit unterschiedlich stark ausgeprägtem Innovationsprofil vor allem hinsichtlich des Verschiebens bzw. Absagens von Aktivitäten unterscheiden, die Ausweitung von Innovationsaktivitäten in Folge der Pandemie scheint dagegen weitestgehend unabhängig vom milieuspezifischen Innovationsgrad.